Unser letzter Stammtisch dieses Jahres verlief in mancherlei Hinsicht wirklich außergewöhnlich. Es kamen über zwanzig Mitglieder des Vereins, so viele wie nur selten; wir hatten mit Herrn Anton einen eigenen Stammtisch-Fotografen dabei; und wir begrüßten einen besonderen Gast: den Schauspieler Bernd Färber.
Schnell waren zusätzliche Stühle gefunden und in unsere Stammtischecke eingereiht, da begann auch schon die intensive Fragerunde an den Darsteller der großen Shakespeare-Figur Richard III. Besagter Richard gehört zu den großen Figuren des elisabethanischen Theaters und hat bis heute nichts, aber auch gar nichts an Aktualität eingebüßt. Kein Wunder, denn auch heute gibt es unverändert Perversionen der Macht und Amoralität schlimmster Sorte. Richard führt die verkommene Führungselite seiner Zeit vor, und er führt sich selbst vor- als eine schillernde Bühnenexistenz zwischen Vice und Charakterrolle
Der Vice (das Wort bedeutet soviel wie Laster, Defekt oder Fehler) war zur Shakespearezeit die populärste Bühnenfigur. Der Vice wollte den Helden zu Fall bringen, die Hauptperson verführen, scheitert am Ende aber selbst. Theaterhistorischer Vorgänger des Vice war der leibhaftig auftretende Teufel der noch älteren Mysterienspiele und Moralitäten. Richard ist noch eine Vice-Figur, doch nun bereits in menschlicher Form, nicht mehr nur Allegorie. Richard ist nicht mehr nur personifiziertes Laster, sondern ein lasterhafter Mensch, der sein Spiel offen legt. Der Zuschauer ist hin und her gerissen zwischen Anteilnahme und Abscheu angesichts dessen, was Richard auf der Bühne ins Werk setzt: Heuchelei, Zynismus eines klaren Verstandes, Mord, Verführung, Kampf um die Macht, dann Kampf nur noch um das eigene Leben. Verschlagen ist er nicht; immer kündigt er dem Publikum an, was er als nächstes plant. Großes Theater. Shakespeare eben.
Bernd Färber spielt den Richard, eine Traumrolle für einen jeden Schauspieler. Er berichtete vom Probenprozess, dem Bewältigen der großen Textmenge, der Kraft, die so eine Rolle seelisch und physisch kostet. Er erzählte allen gebannt Zuhörenden von den Chancen und Tücken des Schauspielberufes, bot Anekdoten feil und war überhaupt ein überaus charmanter Erzähler. Wir sagen Ihnen, Herrn Färber, Dankeschön für die Zeit und für die Geduld, denn es waren viele Fragen, die an Sie gerichtet wurden!
Zwei Ehepaare, Mitglieder unseres Vereins, hatten Geschenke für Herrn Färber dabei. Darunter: eine Dose mit selbst gebackenen Keksen in Form von Schwert und Krone. Wahrlich, das ist Theaterliebe, die durch den Magen geht!
Antje Jonas