In Rostock gelang eine zeitgemäße Inszenierung
Im Jahr 1781 ist Friedrich Schiller 21 Jahre alt. Er publiziert sein erstes Drama. „Die Räuber“. Im Selbstverlag. Lässt 800 Exemplare in Stuttgart drucken. Macht dafür Schulden und schreibt: „ Es mag beim ersten in die Hand nehmen auffallen, daß dieses Schauspiel niemals das Bürgerrecht auf dem Schauplatz bekommen wird…“, so der Autor in seinem Vorwort. Schiller hatte nicht damit gerechnet, dass seine „Räuber“ jemals auf der Bühne zu sehen sein würden. Er hielt seinen Text eher für ein Lesedrama.
Es kam anders. Am 13. Januar 1782 wurde es uraufgeführt, in Mannheim. Das Theater, erst einige Jahre zuvor eröffnet, fasst über eintausend Zuschauer, es kommen mehr. Um fünf Uhr beginnt die Vorstellung, die ersten Zuschauer kommen Stunden früher, um sich ihre Plätze zu sichern. Der Mannheimer Arzt Franz Anton May besucht die Uraufführung und schildert die Wirkung des Gezeigten auf das Publikum: „Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Türe. Es war eine allgemeine Auflösung im Chaos, aus dessen Nebel eine neue Schöpfung hervorbricht.“ August Wilhelm Iffland, so jung wie Schiller, spielt den Franz Moor. (Sigrid Damm, Das Leben des Friedrich Schiller, Insel Verlag 2004)
Was war das Neue, Unerhörte? Es war der Angriff auf die Obrigkeit, auf Kirche, Fürsten und Willkürherrschaft. Es war ein Angriff auf die gottgefügte Weltordnung. Und es war eine Versuchsanordnung: Gut gegen Böse. Karl gegen Franz. Schiller zeigte, dass der verletzte Karl seine Gaben und seinen Charakter verliert, sich radikalisiert und am Ende in den Abgrund stürzt. Seine Räuber handeln ebenfalls aus Wut über die Zustände, handeln aus einem verwirrten Idealismus heraus und werden zu Verbrechern. Wie verführbar und manipulierbar ist der Mensch? Das ist das große Thema, und es bleibt aktuell. Bis heute.
Die Rostocker Inszenierung setzte auf den Schillerschen Text, dem einige passende Texte hinzugefügt wurden. Sie setzte weiter auf die Klarheit aller Figuren, die im Schillerschen Duktus sich ohnehin wortreich und immerfort selbst erklären. Dadurch sind die Räuber, die Brüder Karl und Franz recht greifbar, eben auch Figuren einer dramatischen Versuchsanordnung. Eine zusätzliche schauspielerische Dimension des psychologisch Uneindeutigen hätte mir gefallen. Bühnenbild, Licht, Sound und Choreographie, alles aber war stimmig und zeugte von einer konsequenten Regie-Handschrift. Das Stück spielte in einer Theaterzeit des Gegenwärtigen; die Kostüme zeigten die jungen Tänzer des „Tanzlandes“ als heutige Jugendliche, die mit wuchtigen Bewegungen ein starkes Sinnbild für die Brutalität der Überfälle und Raubzüge schufen. Die Zusammenarbeit von Schauspielern mit jungen Leuten aus der Tanzszene gelang. Feine Bruchlinien gab es allerdings, wenn die Tänzer nicht immer zu verstehen waren, zu schnell sprachen. Das musste man in Kauf nehmen, das Publikum war damit ganz offensichtlich einverstanden. Es gelang eine zeitgemäße Inszenierung ohne Zeigefinger auf heutige politische Bezüge. Das war angenehm und ließ die Zuschauer langen Applaus spenden. Man verließ den Saal „ohne heisere Aufschreie“ nach knapp drei Stunden.
Gelöste Stimmung bei der Premierenfeier