Liebe Freunde und Förderer des Rostocker Volkstheaters,
liebe Leserinnen und Leser unserer Seite!
Der Vorstand des Theaterfördervereins wünscht Ihnen und Ihren Familien zunächst schöne und erholsame Feiertage. Kommen Sie gesund und fröhlich ins Neue Jahr!
Wir würden uns freuen, wenn Sie auch 2015 unseren Verein im Internet besuchen oder einfach unsere Veranstaltungen nutzen, um uns kennen zu lernen.
Wir stehen unserem Theater in dieser schwierigen Zeit engagiert zur Seite!
Werden auch Sie ein Freund und Förderer des Rostocker Theaters, der ältesten und größten Kunststätte unserer Hansestadt!
Zum Thema Friedrich Schiller:
Im November 1794, also vor 220 Jahren, erhielt Friedrich Schiller die insgeheim erwartete Einladung seines künftigen Freundes Johann Wolfgang Goethe und reiste nach Weimar. Er konnte damals nicht ahnen, dass diese Einladung sein Leben verändern würde, denn noch hatten sich die beiden Berühmtheiten eher gemieden und aus sicherer Distanz beobachtet. Bis zum frühen Tod Schillers am 9. Mai 1805 blieb diese im Grunde unglaubliche Verbindung zwischen den so unterschiedlichen Geistesheroen erhalten.
Wir verdanken ihrer literarischen Zusammenarbeit viele große Werke, so die Balladen wie auch den „Wallenstein“ oder den „Tell“. Friedrich Schiller wird im kommenden Jahr anlässlich des 210. Todestages geehrt werden, in Rostock und anderswo. Er war Mediziner, Theatermagier, Freiheitsphilosoph, Berufsschriftsteller und Journalist. Was verbindet ihn, den Nationaldichter, und uns in unserer Rostocker Theatergegenwart?
Schiller dachte zum Zeitpunkt, da ihn die Einladung Goethes erreichte, sehr intensiv nach über die Funktion von Kunst im gesellschaftlichen Gefüge. Dabei erwies er sich als exzellenter Zeit-Diagnostiker. Auf ihn bezogen sich später ausdrücklich Siegmund Freud, Karl Marx, Georg Simmel und Max Weber. Schiller erkannte, dass man die großen Fortschrittsprojekte seiner Zeit, die Aufklärung wie auch die Wissenschaft, nicht überschätzen dürfe. Sie würden sich als bloß „theoretische Kultur“ erweisen und die Menschen in ihrer inneren Verfasstheit letztlich nicht verändern. Der Staat aber, so Schiller, brauche für sich und die Menschen geistige Fundamente. Er erkannte damals schon, dass seine eigene Zeit unumkehrbar von Arbeitsteilung und Fragmentarisierung des einzelnen Menschen gekennzeichnet war. Seine damalige Gegenwart hält bis heute an.
Wir leben derzeit unter dem globalen Diktat des Ökonomischen und Digitalen, in einer vollständig rationalisierten und entzauberten Welt, wie das Max Weber genannt hat. Die allermeisten Menschen des Abendlandes müssen heutzutage auskommen ohne den Trost durch Religion oder Philosophie. Stattdessen besetzen Vernunft und Nützlichkeit, Effektivität und Optimierungsdenken, allesamt Begriffe aus dem Bereich der Wirtschaft, unseren Arbeitsalltag und ersetzen mehr und mehr auch unser freies Denken jenseits festgestampfter Denkabfolgen.
Und Schiller? Der spürte diese Entwicklung bereits damals überdeutlich und hielt dagegen. Der Mensch darf nicht vollends verzweckt werden, er muss und kann seine menschliche Freiheit, seine geistige Freiheit bewahren. So gelangte Schiller zu seinen Ausführungen über den homo ludens, den spielenden Menschen. Mit „Spiel“ bezeichnete er dabei etwas, das dem Menschen von Anbeginn innewohnt, etwas, mit dem er von alters her dem Ernst, gar dem Drama seiner Existenz begegnet ist und bewusst entgegentrat. Schiller meinte mit diesem Ernst beispielsweise die offenbar uns eigene menschliche Aggression, das Wissen um die eigene Sterblichkeit, den vergeblichen Kampf gegen Tod und Krankheit.
Dieses Bewusstsein habe die Künste notwendig hervorgebracht, im uralten Ritual, in der symbolischen Handlung mit Worten, Gesang und Tanz. Mit dem Spiel der Künste, so Schiller, ließen sich die existenziellen Bedrohungen immer für eine Weile bannen. Im Bannen dieser Kräfte und Ängste also liegt der tiefe Grund für die Entwicklung und Wirksamkeit der Künste. Mit und in ihnen entkommen wir für eine gewisse Zeit den unverändert ernsten Zwängen des Lebens, unterbrechen wir den Existenzkampf und befreien Verstand und Seele für kurze Momente. Das so verstandene Spiel, die so verfassten Künste entschärfen unsere Aggressivität.
Wir erleben die Theaterkunst bis heute als Einladung, die eigenen Einbildungskräfte und die Fantasie erholen und entfalten zu dürfen, als Einladung, die eigene Geschichte nicht zu vergessen, als Einladung, sich eigener Gefühle und des eigenen Urteilsvermögens zu vergewissern. Das, was Schiller damals erkannte und aufschrieb, gilt in der Tat unverändert, wenngleich sich seitdem die politischen Zeiten und ästhetischen Ansprüche, der Geschmack und die künstlerischen Möglichkeiten verändert haben und sich weiter verändern werden. Wegen ihres letztlich humanistischen Auftrages können und wollen und dürfen wir, die Bürger, auf unsere Theater nicht verzichten und müssen sie verteidigen gegen einen ökonomischen, seelenfeindlichen Zeitgeist, der sich anschickt, alle Bereiche des menschlichen Lebens, auch den Geist der Politik, herzlos herabzuwürdigen in nur kaufmännische Kategorien.
Theater kosten Geld, aber vergleichsweise sehr wenig Geld! Deutschland aber gehört zu den reichsten Ländern der Welt! Das Land hat keinen Grund, sich an seinen Theatern und Orchestern zu rächen. Es hat genug Geld, es braucht sich wahrlich nicht an seinen Theatern und Orchestern zu sanieren. Ohne geistigen Reichtum, den die Künste und die Literatur und niemals allein Wirtschaft, Technik, Naturwissenschaft oder ein Meer von kulturellen Events werden bewerkstelligen können, gefährden wir sehr wohl unsere kulturelle Identität und die historisch noch sehr junge demokratische Gesinnung hierzulande. Eine überaus reiche Gesellschaft, die nicht mehr sicher zu wissen scheint, welche außerwirtschaftlichen Ziele sie eigentlich verfolgt, wird angreifbar für Kräfte, für die die Demokratie keinen hohen oder gar keinen Wert mehr darstellt.
Deshalb: Im Schillerjahr 2015 ein ganzes Volkstheater für unsere ganze Stadt!
Antje Jonas
Vorstandsvorsitzende
Literaturangabe:
Safranski, Rüdiger: Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus. Deutscher Taschenbuchverlag, 2009