Offener Brief zum Interview des Kulturministers Mathias Brodkorb am 21. Mai in der Ostsee-Zeitung
Mit Interesse hat der Vorstand des Theaterfördervereins den Schweriner Ministerblick auf die Rostocker Theatersituation zur Kenntnis genommen.
Nun ist ein Interview trotz des Wechsels von Frage und Antwort kein rechter Dialog, sondern gleicht vielmehr einem Monolog. Es werden die Ansichten des Befragten veröffentlicht. Ein Gespräch aber wäre wichtig. Der Theaterförderverein hat mehrfach signalisiert: Wir sind gesprächsbereit. Wer bislang auf ein Gesprächsangebot nicht reagierte, waren Herr Sellering, Herr Brodkorb, Herr Methling und viele Bürgerschaftsmitglieder. Doch vielleicht ändert sich die Situation nun bald?
1. Aussage des Ministers: „Das Theater steckt aufgrund zu geringer Eigeneinnahmen seit Jahren wirtschaftlich in der Krise…“
Wenn eine Stadt dem Theater eine Spielstätte entzieht, wenn eine Stadt Intendant um Intendant verschleißt, wenn eine Stadt das Gebäude ihres eigenen Theaters verkommen lässt und daraufhin das Ensemble samt Publikum in ein Zelt umziehen müssen, wenn es also von der Verwaltung und vielen Kommunalpolitikern nicht sonderlich geschätzt wird, dann hat es ein Theater wahrlich schwer, gegen all dieses Desinteresse und diese Missachtung dauerhaft strahlend anzuspielen. Die Theaterkrise in Rostock ist eine politisch verursachte Krise, aus der sich in den letzten Jahren eine zuweilen künstlerische und in der Folge auch wirtschaftliche Krise entwickelt hat. Diesen kommunalpolitischen Gesamtzusammenhang kennt der Minister, verantwortlich für diese aufgeführten kommunalen Krisenfaktoren ist er nicht. Allein die getätigte Äußerung ohne Nennung oder gar Würdigung der sehr schwierigen Produktionsbedingungen des Theaters kann ein falsches Bild erzeugen. Es könnte der Eindruck entstehen, dass das Theater für seine Krise selbst verantwortlich ist. Noch einmal: Die Rostocker Theaterkrise ist eine politisch verursachte Krise, keine Krise des Künstlerischen!
2. Verwundert hat die Feststellung, dass 2,5 Millionen Euro aus den Zuschüssen an das Theater von diesem an Stadt oder Land zurückgezahlt werden müssen. Warum dann nicht gleich die Mittel um diese Summe kürzen? Man gibt erst das Geld ans Theater und nimmt es dann wieder, was soll das? Das Theater soll de facto den Neubau selbst finanzieren, aus den Zuschüssen, die doch für den laufenden Betrieb gedacht sind und gebraucht werden! Wie soll die Rückzahlung der 2,5 Millionen funktionieren, wenn ggf. nur noch zwei Sparten komplett vorhanden sind? Wie sollen die Einnahmen eines halben Theaters mit abgespecktem Spielplan steigen, um diese Summe aufzubringen?
3. Zur Kooperation: „Ich kann einfach nicht verstehen, dass so etwas zwischen Schwerin und Rostock nicht auch funktionieren soll.“
Der Theaterförderverein kann es nach wie vor nicht verstehen, wie strukturelle Kooperation jenseits von ab und an stattfindenden Gastspielen oder Gastregiearbeiten zwischen zwei Häusern dauerhaft aussehen und funktionieren soll. Seitens der Politik ist nie dargelegt worden, wie diese Kooperation ganz praktisch bewerkstelligt werden soll. All die mehrfach schriftlich und mündlich kommunizierten logistisch-technischen, die tarifrechtlichen und künstlerischen Aspekte sind seitens der Theatermacher formuliert worden, werden aber im politischen Raum weitestgehend ignoriert, weshalb? Zwei Theater mit sehr komplexen Betriebsstrukturen dauerhaft zu verknüpfen ist sehr kompliziert. Die Vorteile liegen nicht auf der Hand bzw. werden seitens der Politik nicht argumentiert. Gibt es ein funktionierendes Beispiel für eine strukturelle Kooperation zweier Stadttheater? Dann sollte dieses Modell schleunigst veröffentlicht werden, auf dass es in Ruhe betrachtet und studiert werden kann. Die künstlerische Qualität würde durch Kooperation zum Teil sogar gesteigert werden können, meint Herr Brodkorb. Hier bleibt der Minister alle Argumente schuldig, eine reine Behauptung wird veröffentlicht. Eine Kooperation führt zu Stellenabbau; weniger künstlerisches und technisches Personal aber heißt, dass weniger Rostocker Theaterleute mit den jeweiligen Kooperationspartnern zusammen arbeiten können. Welche Produktionen sind dann möglich? Oder läuft es dann doch auf eine Fusion oder eine Bespielung hinaus?
Man stelle sich vor, die Schweriner NDR-Mitarbeiter sollten aus Kostengründen mit den Funkhäusern in Hannover oder Hamburg kooperieren; die Journalisten könnten doch auch mit Bussen in die anderen Städte fahren und in den dortigen Büros und Studios arbeiten…
4. „Das Land spart mit der Reform nicht einen Cent, sondern gibt viele Millionen zusätzlich aus, um die Theater zukunftsfest zu machen.“
Damit führt der SPD-Minister seine Reform ad absurdum. Immer war von fehlendem Geld die Rede, wenn die Reform gerechtfertigt werden sollte. Nun aber spare das Land zwar die Theater kaputt und selbst doch keinen einzigen Cent?! Ja, wozu denn das ganze Szenario? Die Theater gehen kaputt, das Land spart nichts; am Ende zahlt es drauf, viele Millionen, damit die Häuser zukunftsfest gemacht werden? Wie viele Millionen, und was heißt zukunftsfest? Auch hier keine Fakten. Die Logik des Ganzen erschließt sich nicht.
5. „Wir müssen uns auf sehr sparsame Zeiten einstellen… Solide Haushalte haben daher auch eine moralische Dimension.“
Die Kunst- und Kulturschaffenden des Landes erleben schon seit Jahren „sehr sparsame Zeiten“. Dass Zahlen und Haushalte plötzlich sogar moralische Dimensionen erlangen, mag sehr abstrakt stimmen, uns empört diese Aufwertung des Finanztechnischen dennoch. Seitens der Politik wurde bislang ausschließlich finanzpolitisch argumentiert, wenn es um die Unvermeidbarkeit von Kulturabbau geht, wobei Bildungsinhalte, Wertevermittlung in Form von Kunst als Argumente ignoriert werden. Nun lädt der Minister (umstrittene) Zahlenwerke, die immer doch Werkzeug und Ausdruck eigener parteipolitischer Interessen sind, gar moralisch auf. Hier ist die
Schmerzgrenze erreicht! Dass sogar die „Überlebensfähigkeit des Bundeslandes“ im Zusammenhang mit der Theaterzerstörung gebracht wird ist starker Tobak! Die Landesregierung gibt seit zwanzig Jahren lediglich 0,5 Prozent der Landesmittel für alle Theater und Orchester aus. In Zahlen: 35 Millionen Euro bei einem Gesamtetat von 7000 Millionen, sprich 7 Milliarden Euro.
Gerade wird die Staatskanzlei mit neuen Fenstern versehen, für die weitere Sanierung des Schlosses sind über zehn Millionen Euro eingeplant. Der Landtag ist zu groß geraten für das kleine Bundesland mit seinen 1,4 Millionen Einwohnern. Sei‘s drum. Hier kann auf keinen Fall personell abgebaut werden. 500 Millionen Euro hat das Land kürzlich auf die hohe Kante gelegt. Kein Geld im Land?
6. Der Minister spricht sich für eine anständige Bezahlung der Theaterkollegen aus. „Auf Dauer bekommen sie nicht die besten Künstler, wenn sie die niedrigsten Löhne zahlen.“
Das Land hat seit zwanzig Jahren die Landesförderung für die Theater und Orchester nicht erhöht, warum eigentlich nicht? Gehälter und Diäten sind gestiegen, Mieten und Strompreise ebenso. So haben die Theater, um sich für ihr Publikum zu retten, enorme Anpassungsleistungen erbracht, siehe Stellenabbau oder Haustarifverträge. Dies nun moniert der Minister! Der SPD-Kulturpolitiker ist verantwortlich für die finanzielle Ausblutung der Häuser und bedauert den Zustand zugleich, wie bitte? Und man muss auch folgendes wissen: Die Tarifbindung kommt dem fest angestellten Personal zugute. Die Künstler, die frei an den Häusern arbeiten, also nur für einzelne Produktionen als Gäste oder Solisten engagiert werden, müssen schon jetzt unattraktive Gagen in Kauf nehmen. Die Theater knausern mit den Gagen für die Gäste, um die Festangestellten bezahlen zu können.
7. Der Minister hat ein „Haus der Künste“ ins Gespräch gebracht.
Volkstheater, freie Kultur, HMT, alles unter einem Dach. Das könnte passen, wenn das Haus groß genug ist, Räume für alle umschließt. Mit dem Bauvolumen von maximal 50 Millionen Euro wird wohl ein solches Haus mit vielen Probenräumen und mehreren Bühnen kaum zu meistern sein. Ergo: Wenn alle rein sollen, muss sich der größte Bewohner klein machen, also kleines Theater? Doch da es sich dankenswerterweise um einen Vorschlag und keine Direktive handelt, wird noch viel zu reden sein. Beruhigend zu lesen: Der Minister besteht nicht auf einem Spartenabbau. „Eine solche Forderung des Landes hat es nie gegeben.“
Der Theaterförderverein ist gesprächsbereit. Es ist an der Zeit, einen Diskurs zu etablieren. Monologe, Direktiven und Beschlüsse führen nicht weiter. Dialoge verändern.
Im Namen des Vorstandes
der „Freunde und Förderer Volkstheater Rostock e.V.“
Antje Jonas