Am 30. Januar fand der erste Stammtisch des neuen Jahres statt. Zu Gast war Herr Dr. Michael S. Pietschmann, ein profunder Kenner der Geschichte des Volkstheaters Rostock.
Der Germanist und Historiker stellte sein neuestes Buch über den langjährigen Theaterintendanten Hanns Anselm Perten wie auch verschiedene Einzelschriften über die Perten-Ära vor. Um diese außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeit, die zwischen 1952 und 1985 (bis auf eine zweijährige Unterbrechung) das Rostocker Theater leitete, ranken sich viele Geschichten, Anekdoten, Mythen. Bis heute polarisiert die Persönlichkeit Perten.
Den einen ist er in Erinnerung als erfolgreicher und leidenschaftlicher Theatermann, der das Rostocker Volkstheater weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt machte. Stücke von Dürrenmatt, Hochhuth und Peter Weiss wurden in Rostock erst- und uraufgeführt. Das Theater genoss auch in der Bundesrepublik und anderen Ländern einen hervorragenden Ruf.
Andere pflegen die Erinnerung an den Generalintendanten als an einen schwierigen Chef und Funktionär, der als Mitglied der SED Kontakte bis in die höchsten Parteigremien in Rostock und Berlin pflegte.
Es stimmt beides. Perten war ein großer Theatermacher und groß auch in seinen Widersprüchen. Ein differenziertes Bild der DDR-Theater-Geschichte unserer Stadt zu zeichnen, ein wertvolles Unterfangen! Herr Dr. Pietschmann entschied sich, während der Lesung Hanns Anselm Perten als Privatperson in den Vordergrund zu rücken. Das Intendanzfoyer war bis auf den letzten Platz gefüllt, ein Zeichen neuerlichen Interesses an der Zeit bis 1989 in Rostock und im Theater. Das ermutigt, denn wir brauchen genaue, auch wissenschaftlich belegbare Kenntnisse über die Theater-Jahre der DDR, in Rostock und anderswo. Überhöhungen einerseits und einseitige negative Zuschreibungen helfen nicht weiter. Dessen waren sich alle an diesem Abend einig. Damals wie heute gilt: Entwicklungen sind ohne Widersprüche nicht zu haben.
Mit dieser Veranstaltung eröffnet der Theaterförderverein das „Jahr der Rostocker Theatergeschichte“. Wir haben doppelt Grund zu feiern: Im Sommer dieses Jahres begeht der älteste, erhalten gebliebene deutsche Theaterzettel seinen 500. „Geburtstag“. Dieses Plakat stammt aus Rostock! Und: Im Jahr 1895 wurde das zweite Stadttheater in Rostocker eröffnet. So schauen wir voller Stolz zurück auf 125 Jahre Stadttheater, an dem bis heute in vier Sparten Theaterkunst produziert wird.
Antje Jonas